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Das Labor

»Das können sie doch nicht einfach machen!« fluchte Endo 1001 laut. Der 30 cm große Schrank auf acht Beinen schien ziemlich erbost. »Sie behindern damit die Arbeit von 30 Megazyklen. Was fällt ihnen ein?« Ärgerlich klickerte er mit zwei Beinen auf dem Laborboden, was in seinem Fall einem wütendem Stampfen gleich kam.

»Ich bedauere wirklich zutiefst, dass ich ihre wirklich wichtige Forschung unterbrechen muss, Professor Endo 1001, aber es bleibt mir nichts anderes übrig. Außerdem bin ich mir sicher, dass ihre neue Aufgabe sie entzücken wird.« sagte Zaries mit ruhigen Worten.

»Wie kommen sie denn darauf?« die Stimme des Professors kratze, was in seinem Fall einem Schnauben gleich kam. Der Intensität des Kratzens nach, schien es sich um ein sehr wütendes und sehr erbostes Schnauben zu handeln.

Professor Endo 1001, der letzte gebaute binäre kleine Großrechner konnte es nicht glauben. Seit 30 Megazyklen forschte er zusammen mit seinem Assistenten Dr. Schaloffel, einem Medoxianer, an der Entwicklung des Wunschkäsebrunnens. Einer wirklich weltbewegenden Erfindung, wenn sie denn erst einmal fertig sei, und das dürfte laut Professor Endo 1001 und Dr. Schaloffels Meinung nicht mehr allzuweit in der Zukunft liegen.

Doch nun kam dieser, dieser Zahnarzt in ihr Labor und verlangte alles stehen und liegen zu lassen, um irgendeiner unwichtigen Tätigkeit nachzugehen. Diese Politiker. Endo 1001 bedauerte gerade schon wieder einmal, dass er jemals in den beamteten Dienst bei der intergalaktischen Forschungseinrichtung der Universumsverwaltung gegangen war. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig. Niemand sonst konnte für seine Arbeiten soviel finanzielle Mittel bereitstellen, ohne viele Fragen zu stellen. Die gesamte Jahresproduktion an pefferminzgetränkten Schmelzkäsewürfeln auf Beta Sieben Gaga waren ein Dreck gegen die finanziellen Wogen, die Woche für Woche das Labor heimsuchten.

»Nun, ich könnte ihnen jetzt eine weitschweifige Rede halten, die unser aller Zeit verplämpern würde, aber ich werde stattdessen einfach nur zwei Wörter loslassen: Projekt Fantasie. Nun, was sagen sie jetzt?« Zaries legte sein sadistischtes Lächeln auf, dass ihm gerade in den Sinn kam.

Schlagartig erstarrte Professor Endo 1001s Körper und er sagte keinen einzigen Pieps mehr. Auch kein Lüftergeräusch war zu hören, was allerdings der Tatsache geschuldet war, dass der kleine Großrechner trotz seiner kompakten Bauweise eine Passivkühlung besaß. Das einzige Lebenszeichen stellte nun seine Diodenmatrix dar, die für Außenstehende seine derzeitige Gefühlsmatrix darstellen sollte und die nun wie wild anfing zu blinken.

»Oh nein« piepste Ångström jammernd »Sieh was du angestellt hast, Du hast ihn kaputt gemacht! Du Trottel. Was sollen wir jetzt ohne ihn machen?«

»Beruhig dich wieder, im schlimmsten Fall drücken wir die Neustarttaste. Fang am besten schon einmal an danach zu suchen. Er hat ziemlich viele Tasten, auf beiden Seiten des Chassis.«

In dem Moment kam Dr. Schaloffel hinzu und rückte seinen Hut zurecht. Wie jeder Medoxianer trug auch er die traditionellen Sombreros aus Schilfgrasmückenflügeln, die in den galaktischen Diskotheken ein ziemlich guter Ersatz für die rar gewordenen Discokugeln darstellten. »Was ist denn mit ihnen los, Professor, ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich sie das letzte Mal so blass gesehen haben.«

»Blass?« fragte Ångström verwirrt nach.

»Ja. Eine wild blinkende Diodenmatrix bedeutet bei den binären kleinen Großrechnern immer, dass sie gerade geschockt sind. In diesem Fall sogar zu Tode geschockt. Was haben sie ihm gesagt? Werden unsere Mittel gekürzt?« Schaloffel selber schien von Minute zu Minute nervöser zu werden.

Sowas hatte Ångström in seinem Leben noch nicht gehört. Ein Computer der zu Tode erschreckt sein sollte. »Wir haben ihm vom Projekt Fantasie erzählt, da ist er dann stumm geworden.«

»Sie haben ihm von einem Märchen erzählt?« Dr. Schaloffel wirkte verwirrt. »Wieso sollte ihn das sprachlos machen?«

»Das ist kein Märchen.« quälte es aus den Sprachorganen des kleinen Großrechners. Langsam lichteten sich die blinkenden Dioden und es kehrte wieder das normale Bild zurück.«

Schaloffel zog seine Augenbraue hoch, wußte aber anscheinend nicht, was er sagen sollte.

»Woher wissen sie verdammt noch mal davon? Das ganze ist als Verdammt Geheim! eingestuft worden.« Endo 1001s Worte klangen immer noch mehr gedruckst als gesprochen.

»Nun, « kasperte Zaries herum, »Rosa Schrift hatte schon immer eine magische Anziehungskraft auf mich.« er zwinkerte.

»Ich hätte sie verbrennen sollen, das hab ich schon immer gewusst. Wieso habe ich es nicht auch gemacht, als ich damals die Chance dazu gehabt hatte.« Endo 1001 schlug drei seiner acht Glieder über den vorderen Teil seines Körpers zusammen, der so etwas wie seinen Kopf darstellte.

Schaloffel gab ein sehr unglaubwürdiges Räuspern von sich.

Endo 1001 blickte in dessen Richtung und hielt sich nun einen der drei Gliedmaßen, die er eben noch auf seinem Kopf platziert hatte, vor seine Augen. »Oh nein, der ist ja auch noch da.« stöhnte er »Als wenn das Sicherheitsloch nicht schon groß genug wäre.«

»Worum geht es denn überhaupt?« haspelte der Doktor und schaufelte seine Körpermasse von einem Bein auf das andere.

Zaries reichte ihm die Akte von Projekt Fantasie. »Da. Lesen Sie’s am besten selber nach.« sagte er spöttisch.

Schaloffel sah skeptisch zu seinem Chef hinüber.

»Lesen Sie’s, Schaloffel, lesen Sie’s. Sie sind mein Assistent und irgendwann auch mein Nachfolger. Wenn ich mich damit beschäftigen muss, dann müssen Sie das erst recht.« notorisch meckernd zog er sich in den hinteren Teil seines großzügig ausgestatteten Labores zurück, um das molekulare Gefüge von ein paar Dutzend Reagenzgläsern drastisch zu ändern. Mit anderen Worten gesprochen, zerdepperte er sie, indem er sie gegen Boden, Decke oder eine der vielen Wände pfefferte. Eine Tätigkeit, die ihm immer ein gewisses Maß an Befriedigung vermittelte, hoffentlich auch dieses Mal, obwohl er es dieses Mal wirklich stark bezweifelte. Es schienen einfach nicht genug Reagenzgläser im Labor anwesend zu sein. »Schaloffel, besorgen Sie mehr Reagenzgläser, viel mehr!« tönte er aus der hintersten Laborecke.

Schaloffel richtete seinen verwundert ratlosen Blick von der Zerstörungsarie ab und starrte wortlos auf die vergilbte Akte, die Zaries immer noch in der Hand hielt, an bevor er sie dann zögerlich ergriff.

»Und sagen sie ihm, dass wir eine Lösung für dieses Problem suchen. Wir müssen das Projekt wieder einfangen, am besten mit einem Zauberwesen, von dem das Projekt angelockt wird.« Zaries zeigte in die Richtung, in der Endo 1001 gerade verschwunden war und machte dann kehrt.

Ångström sprang einmal hoch und piepste »Das ist nämlich von höchster Wichtigkeit!« und sprang gleich nach der Landung noch einmal hoch. »Von allerhöchster Wichtigkeit!« dann wuselte er wild hinter Zaries her und verließ mit diesem dann gemeinsam das Labor durch das Fenster, durch welches sie zuvor ins Labor gestiegen waren.

Schaloffel blinzelte ziemlich debil hinter den beiden her. War das grad ein Traum? Doch das Getöse seines Vorgesetzten aus der hintersten Laborecke machte ihm klar, dass es die wirkliche Realität war. Ich hätte es gleich wissen müssen, dass da irgendwas nicht stimmt, dachte sich der Doktor, Welcher Präsidialvorsteher kommt schon zusammen mit seinem Vize zu Besuch hier ins Labor und das dann durchs FENSTER?

Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als die uralte Akte durchzuschauen. Er ging an einen seiner Arbeitstische und klappte sie auf. Als der riesige Stapel sich vor ihm auftürmte, hatte er das Gefühl, dass das geistlose Papierungetüm ihn hämisch angrinsen würde. Verdammt. Das Date mit Felicitas heute abend kann ich vergessen. Fluchend nahm er das oberste Blatt vom Stapel und begann zu lesen.

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Autor: Tobias Mahs